28. Februar 2010: Demonstration zur Solidarität mit den Tekel-Arbeiterinnen und Arbeitern in der Türkei!
Seit Mitte Dezember kämpfen 12 000 Beschäftigte des staatlichen türkischen Tabakmonopols Tekel gegen ihre Entlassung aufgrund vorangegangener Privatisierungen. Die islamisch-konservative AKP-Regierung bietet den Betroffenen lediglich den sogenannten 4C-Status mit drastischen Lohneinbußen, ohne Kündigungsschutz und ohne Recht auf Gewerkschaftsmitgliedschaft an. Die Arbeiter nennen 4C ein Versklavungsgesetz und fordern echte Arbeitsplätze ohne Lohnverlust.
Längst ist der Tekel-Streik in der Türkei zu einem Fokus für alle unter der neoliberalen Regierungspolitik leidenden Menschen geworden. Anfang Februar gab es einen landesweiten Solidaritätsstreik. Und am vergangenen Wochenende besuchten 30 000 Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem ganzen Land die rund um die Gewerkschaftszentrale in Ankara campierenden Tekel-Beschäftigten, um ihnen ihre Solidarität zu beweisen.
Es Lebe unser Tekel-Widerstand! Es Lebe die Klassensolidarität!
Sonntag 28. Februar 14 Uhr: Demonstration vom Hermannplatz zum Kottbusser Tor
Erdogan! Schluss mit den Drohungen! Hände weg vom Streikcamp!
Der türkische Ministerpräsident Erdogan nennt die Proteste der Tekel-Arbeiter illegal. Offen hat er die polizeiliche Räumung des Protestcamps in der Innenstadt von Ankara zu Monatsende angekündigt. Dass dies keine leeren Drohungen sind, hat die Regierung bereits zu Beginn des Arbeitskampfes beweisen, als die Polizei mit Knüppeln, Tränengas und Wasserwerfer die Tekel-Beschäftigten angriff, die für Arbeit und Brot demonstrierten.
Lassen wir die Tekel-Arbeiter und Arbeiterinnen jetzt nicht allein! Ihr Kampf ist ein Teil unseres gemeinsamen Kampfes gegen Neoliberalismus, Privatisierungen und Massenentlassungen und für ein gutes und würdiges Leben mit Zukunftsperspektiven.
Im folgenden dokumentieren wir einen Artikel von Nick Brauns
Mit einem weltweiten Ationstag will die Internationale Gewerkschaftskonföderation (ITUC) die seit über zwei Monaten gegen ihre Entlassung kämpfenden Arbeiter des staatlichen Tabakmonopols Tekel in der Türkei unterstützen. Das hatte ein Sprecher der ITUC, die rund 157 Millionen Arbeiter aus 311 Gewerkschaften in 155 Ländern vertritt, gegenüber dem Vorstand des türkischen Gewerkschaftsdachverbandes Türk-Is zu Wochenbeginn versprochen. Mit dieser Ankündigung hofft die Türk-Is-Führung, ihre Verhandlungsposition gegenüber der islamisch-konservative AKP-Regierung zu stärken. Doch da von seiten der ITUC bislang weder ein konkreter Termin genannt noch Vorbereitungen für Aktionen getroffen wurden, scheint es fraglich, ob der Aktionstag aus mehr als einigen gewerkschaftlichen Protestnoten an türkische Botschaften bestehen wird.
Unterdessen fordert die Europäische Gewerkschaftskonföderation (ETUC) die türkische Regierung auf, unverzüglich Gespräche zu beginnen, um die aufgrund privatisierungsbedingter Betriebsstillegungen entlassenen Arbeiter des staatlichen Tabakmonopols Tekel bei voller Wahrung ihrer Rechte in andere staatseigene Betriebe zu überführen. Die islamisch-konservative AKP-Regierung hat den 12000 Arbeitern bislang nur eine Weiterbeschäftigung unter dem sogenannten 4/C-Status angeboten. Da das drastische Lohneinbußen bedeutet und die Betroffenen unter anderem das Recht auf Gewerkschaftsmitgliedschaft verlieren, nennen die Tekel-Arbeiter 4/C ein Versklavungsgesetz.
Doch wenn bis Monatsende kein Zugeständnis der Regierung da ist, müssen die Arbeiter 4/C annehmen oder die Arbeitslosigkeit akzeptieren. In dieser Situation wächst die Unzufriedenheit vieler Tekel-Arbeiter mit den Gewerkschaftsführungen, die neben dem juristischen Weg vor allem auf symbolische Aktionen setzen. Anstatt einen weiteren landesweiten und branchenübergreifenden Solidaritätsstreik zu organisieren wie zu Monatsbeginn, rufen die die vier Gewerkschaftskonföderationen TÜRK-IS, DISK, KESK und KAMU-SEN für den 20. Februar lediglich zu einem Aktionstag in Ankara auf. Zehntausend Gewerkschafter werden erwartet, um eine Nacht gemeinsam mit den in der Innenstadt von Ankara in Zelten campierenden Tekel-Arbeitern zu verbringen.
Eine Gruppe von Tekel-Arbeitern hat in dieser Situation einen Appell verfaßt: »Wir rufen unsere Klassenbrüder zur Solidarität auf. Laßt uns aus den Funken ein Feuer entfachen!« fordert sie die landesweite Ausweitung des Kampfes. Der vorgeschlagene Aktionsplan reicht von Unterschriftensammlungen und Mahnwachen vor AKP-Büros bis zum Widerstand durch Generalstreik. Am 28. Februar, wenn die Räumung des Streikcamps in der Innenstadt von Ankara droht, sollen Arbeiter aus der ganzen Türkei und Europa nach Ankara kommen, um Angriffe der Polizei zu verhindern.
Solche offenbar von marxistischen Kräften initiierten Versuche »gewerkschaftsunabhängige Aktionskomitees« zu schaffen, stoßen auf den erbitterten Widerstand der TürkGida-Is-Führung. Wer so etwas initiiert, »ist nicht von uns«, erklärte der Vorsitzende Mustafa Türkel. Obwohl am vergangenen Wochenende noch Tausende an einer Kundgebung der Türkischen Kommunistischen Partei, der Volkshäuser und Partei für Solidarität und Freiheit ÖDP teilnahmen, die von Anfang an die materielle Unterstützung der Streikenden organisiert hatten, ließ die Gewerkschaftsführung in dieser Woche im Streikcamp alle Transparente sozialistischer Organisationen abhängen.
Am Mittwoch nahmen Aufstandsbekämpfungseinheiten der Polizei Dutzende Mitglieder der Partei der Sozialistischen Demokratie SDP fest, die im Istanbuler Stadtteil Tarlabasi ein Kulturinstitut besetzt hatten. Die Besetzer hatten Transparente aus den Fenstern gehängt, auf denen es unter anderem hieß: „Ein Sieg der Tekel-Arbeiter ist ein Sieg für alle“ und „Mit geeinter Faust gegen die Kapitalbesitzer“.
Unter Druck geraten auch kommunistische Studierende, die den Tekel-Streik auf dem Campus mit Spendensammlungen unterstützt hatten. Die Leitung der Hacettepe-Universität Ankara ließ die Aktivisten ermitteln und informierte anschließend deren Eltern, dass ihre Kinder „Anarchisten“ geworden seien. „Wenn es ein Verbrechen ist, die Tekel-Arbeiter zu unterstützen, dann hat die Hälfte der Bevölkerung von Ankara dieses Verbrechen begangenen“, kommentiert ein Student gegenüber der kommunistischen Wochenzeitung Sol. Die Leitung der Bilkent-Universität in Ankara verbot unterdessen einer sozialistischen Studierendengruppe, eine Ausstellung zum Tekel-Widerstand zu zeigen.