Das Interview führte ein Aktivist aus dem Vorbereitungskreis zum Klassenkämpferischen Block mit der trend-Online Zeitung
1) Was ist der Klassenkämpferische Block?
Wir sind eine Initiative aus GewerkschaftsaktivistInnen , linken Gruppen und Einzelpersonen. 2009 haben wir uns erstmalig zusammengetan. Auf dem Höhepunkt der weltweiten Wirtschaftskrise, der schärfsten seit 1929, wollten wir dem Schmusekurs der DGB-Spitzen mit dem Kapital, der Logik der Unterwerfung unter Standortkonkurrenz und „Sachzwänge“, eine kämpferische Perspektive entgegensetzen. Uns ging es zugleich um die Verbindung ökonomischer Kämpfe in Betrieb und Jobcenter mit den politischen Bewegungen der Linken, z.B. gegen die Verdrängung ärmerer Bevölkerungsschichten aus der Innenstadt und gegen die Kriegseinsätze der Bundeswehr. Daher haben wir einen gemeinsamen Block auf der DGB-Demo gebildet, der mit vielen Roten Fahnen und Redebeiträgen von BasisaktivistInnen seinen Ausdruck fand. Auch auf der 18-Uhr-Demo des linksradikalen Spektrums waren wir präsent.
Das ist unser Anspruch geblieben, den wir Jahr für Jahr weiterentwickeln.
2011 steht der Block unter dem Motto „Tag des Zorns – Spaltung überwinden – Zusammen kämpfen – Klassenkampf organisieren“. Dazu haben wir eine achtseitige Mobilisierungszeitung herausgegeben, die u.a. Interviews und Artikel zu Hartz IV, dem GDL-Lokführerstreik, den Arbeitsbedingungen im Krankenhaus, aber auch zu Stadtteilkämpfen und den Massenblockaden gegen die Nazis in Dresden beinhaltet.
2) „Tag des Zorns“ wie ist dieser Titel zu verstehen?
Der Titel ist eine Anspielung auf eine Protestform der revolutionären Massenbewegungen in Tunesien und Ägypten. An bestimmten „Tagen des Zorns“ sind Hunderttausende auf die zentralen Plätze der großen Städte gezogen und trotz massiver Repression so lange nicht weggegangen, bis die Diktatoren abtraten.
Diese revolutionären Ereignisse waren freilich das Ergebnis harter und lang andauernder Streiks und Fabrikkämpfe. Zu Ägypten haben wir einen Hintergrundartikel in unserer Zeitung.
In der BRD ist die Entwicklung der Kämpfe noch lange nicht soweit und wird hier in einem Metropolenland meiner Meinung nach auch einen anderen Verlauf nehmen. Wir bedienen uns aber dieser politischen Symbolik, weil wir zornig sind über den Fortbestand der kapitalistischen Verhältnisse, in denen die Menschen die keine Produktionsmittel oder investierbares Kapital besitzen ausgebeutet und ihre Beziehungen zueinander bis ins Letzte den Regeln von Konkurrenz und Warenförmigkeit unterworfen werden sollen. Zugleich werden damit hierarchische Geschlechterbeziehungen auf neuer Stufe fortgeschrieben.
Die Entwicklung im nördlichen Afrika gibt mir Hoffnung, dass auch hier das vermeintlich immer Gleiche nicht ewig währt. Kapitalismus ist menschengemacht, in den Kämpfen von Klassen entstanden und kann auch so überwunden werden.
3) Wo und an wen soll die Mai-Zeitung verteilt werden?
Die Zeitung des Klassenkämpferischen Blocks richtet sich nicht in erster Linie an die linke Szene, sondern ist als Massenzeitung konzipiert. Sie wird bis zum ersten Mai vor Betrieben, auf belebten Plätzen der Stadtteile und auch an Haushalte entlang der Route der 18-Uhr-Demo verteilt. Ihr könnt sie unter Klassenkampfblock@gmx.net bestellen und Euch an der Verteilung beteiligen! [Zeitung als PDF ]
4) Den „oppositionellen Block“ gibt es seit 2009 bei der DGB-Demo – welches waren die bisherigen Erfahrungen, die Euch bewogen weiter zu machen? Was ist anders als in den Jahren zuvor?
Unsere Erfahrungen waren, dass unsere Inhalte auf der Demo von den KollegInnen fast durchweg solidarisch aufgenommen wurden. Wir sehen uns nicht als Fremdkörper, sondern als Teil der Gewerkschaftsdemonstration. 2009 hatten wir noch Probleme, unseren Lautsprecherwagen auf die Demo zu bekommen, 2010 wurden wir akzeptiert und bildeten sozusagen das Bindeglied zwischen dem Demoteil, der von den DGB-Gewerkschaften gestellt wird und den mitlaufenden politischen Gruppen dahinter. Ich gehe davon aus, dass es auch dieses Jahr keine Probleme geben wird. Die junge GEW unterstützt uns konkret.
Gleichzeitig ist ja auch die objektive Situation nie genau gleich. Der Verlauf der Klassenkämpfe – der von oben findet ja in jedem Fall statt – erlaubt keine Stillstände.
Dieses Jahr ist die Situation massiv von der Abwälzung der Krisenlasten auf die ArbeiterInnenklasse geprägt. Das vorgebliche Jobwunder entpuppt sich als massiver Ausbau der Leiharbeit, wo etwa ein Drittel niedrigere Löhne gezahlt werden als bei tariflicher Beschäftigung und wo es nicht einmal symbolischen Kündigungsschutz gibt. Junge Leute, die in Berlin ihre Ausbildung beenden, bekommen mehrheitlich nur eine befristete Anstellung, ohne dass dafür sachliche Gründe vorliegen … außer der Profitmaximierung.
Es gibt also mehr als genug Gründe, zu kämpfen!
5) Welche Zielgruppen wollt Ihr mit Eurer Initiative (Block und Zeitung) erreichen?
Wie schon gesagt, wollen wir all jene erreichen, die außer ihrer Arbeitskraft nichts zu verkaufen haben, oder noch nicht einmal das. Wir wollen alle erreichen, die sich die Verschärfung der Ausbeutung nicht länger gefallen lassen wollen. Wir wollen zudem alle erreichen, denen gewerkschaftliche Kämpfe nicht genug sind, sondern die den Kapitalismus durch eine klassenlose, solidarische Gesellschaft historisch ablösen wollen.
Erwerblose sind für uns genauso Teil unserer Klasse wie Erwerbstätige, sei es in der Produktion oder im Dienstleistungsbereich. Die Frühdemonstration ist vom DGB organisiert, aber der erste Mai ist der internationale Kampf-und Feiertag der gesamten ArbeiterInnenklasse. Dieses Jahr spielt auch die Auseinandersetzung um die Tarifeinheit eine große Rolle. Ohne den gewerkschaftlichen Meinungsbildungsprozess von unten zu respektieren, haben DGB-Spitzen zusammen mit den Bossen der Unternehmerverbände einen Gesetzantrag auf den Weg gebracht. Darin steht, daß nur noch die im jeweiligen Gesamtbetrieb mitgliederstärkste Gewerkschaft streiken und Tarifverträge aushandeln darf. Die anderen Gewerkschaften wären dann daran gebunden und müssten das Maul halten! Das ist nicht nur meiner Meinung nach ein Angriff auf die Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht überhaupt, der vor allem kämpferische Berufsgewerkschaften wie die GDL oder den Marburger Bund ausbooten soll und wo neuere Zusammenschlüsse vorrangig prekär Beschäftigter, wie die FAU, erst gar keine Chance bekämen.
Ich will nicht – und viele andere Basismitglieder in DGB-Gewerkschaften bishin zur Landesbezirksebene sehen das ähnlich – dass die Gewerkschaften sich gegenseitig kannibalisieren, sondern dass die KollegInnen aus verschiedenen Organisationen gemeinsam die Offensiven des Kapitals zurückdrängen.
Für viele, die die Gewerkschaftsspitzen kritisieren ist die DGB-Demo dennoch ein traditioneller Bezugspunkt und daher ist das auch für uns ein richtiger Ort.
6) Wo können bzw. sollen sich die von Euch Mobilisierten nach dem 1. Mai anschließen?
Wer unsere Initiative gut findet oder Kritik äußern möchte, kam uns wie gesagt unter klassenkampfblock@gmx.net anmailen. Unsere Internetadresse, wo es mehr Infos gibt, ist www.klassenkampfblock.blogsport.de.
Wer weiter gegen Lohnkürzungen und Sozialabbau kämpfen möchte, kann sich ans Forum Betrieb, Gewerkschaft und soziale Bewegung wenden. Dabei ist es egal, ob man oder frau erwerbstätig ist oder erwerbslos. Auch Gewerkschaftsmitgliedschaft ist nicht entscheidend, sondern der Wille, Kritik an den herrschenden Zuständen und an dem System, das diese hervorbringt, praktisch zu machen.
Das Forum trifft sich jeden letzten Dienstag im Monat um 19 Uhr in der Mediengalerie, Dudenstr. 10, U-Bhf, Platz der Luftbrücke. Unter forumberlin@web.de kann Kontakt aufgenommen werden, um zu den Veranstaltungen des Forums eingeladen zu werden.
7) Oder ist das Klassenkampfbündnis nur eine Ein-Punkt-Aktion zum 1. Mai ?
Das Bündnis für einen Klassenkämpferischen Block hat sich tatsächlich anlaßbezogen als Initiative zum ersten Mai begründet. Das ist nach wie vor unser Schwerpunkt, aber dabei bleibt es nicht. Wir waren auch schon bei einer Bündnisdemo gegen die kapitalistische Krise als Block zusammen aktiv.
Nicht zu unterschätzen ist, dass sich die AktivistInnen und beteiligten Gruppen im gemeinsamen Vorbereiten und Kämpfen kennen lernen und Erfahrungen sammeln, die auch für andere Mobilisierungen und Formen der Zusammenarbeit fruchtbar sind.
Auch dieses Jahr soll es weiter gehen: Am 1.6. veranstaltet der Klassenkämpferische Block gemeinsam mit dem Roten Abend eine Veranstaltung zu der Frage „Klassenkämpfe- kalter Kaffee oder aktuell wie nie?“. Dazu werden Werner Seppmann (Autor von „Krise ohne Widerstand“ und „Die verleugnete Klasse“) sowie Willi Hayek (Autor und Basisaktivist aus Berlin) referieren. Die Veranstaltung findet um 20.00 im Stadtteilladen Zielona Gora, Grünberger Str. 73 in Berlin Friedrichshain statt.
8) Wodurch unterscheidet sich das Klassenkampfbündnis von oppositionellen Aktionen der K-Gruppen zum 1. Mai in den 70er Jahren?
In den 70er Jahren war ich ein Kind und ging nicht auf Demos. Mir wurde von verschiedener Seite von den Kämpfen der 70er Jahre berichtet. Von dem her, was ich weiß, würde ich sagen, dass damals die einzelnen Organisationen stark im Vordergrund standen. In Berlin gab es mindestens zwei DGB-kritische Blöcke: einen der SEW (DKP-nahe Sozialistische Einheitspartei Westberlins) und einen der verschiedenen marxistisch-leninistischen Gruppen. TrotzkistInnen und Spontis waren wieder was anderes … Auch wenn klassenkämpferische Linke insgesamt sicher stärker waren als heute, klingt das für mich sehr nach einer Konkurrenz der Organisationen und ideologischen Strömungen untereinander auch im Sinne des Umwerbens der Gewerkschaftsmitglieder.
Das ist heute anders, woran nach der Niederlage des ersten Versuchs des Sozialismus im Globalmaßstab auch kein Weg vorbei führt.
Als Klassenkämpferischer Block setzen wir statt auf die Selbstdarstellung der einzelnen politischen Gruppen auf einen kollektiven internationalistischen und klassenkämpferischen Ausdruck. Das heißt, dass rote Fahnen und Transparente, die die Gemeinsamkeiten betonen, an der Spitze unserer Blöcke stehen. Redebeiträge gibt es nur von Basisorganisationen. Damit wird auch zum Ausdruck gebracht, dass wir uns in einer Situation befinden, wo keine der bisherigen linken Gruppen und Organisationen allein die Kraft bilden kann, die aus der strategischen Defensive der Linken und der ArbeiterInnenklasse herausführt. Wir müssen lernen, Spaltungen zu überwinden und zusammen zu kämpfen – was ja auch Teil unseres diesjährigen Mottos ist.
9) In welchem Verhältnis steht das Bündnis zu den anderen gewerkschaftlich orientierten linken Gruppen (K-Org. der MigrantInnen, MLPD, FAU, T-Gruppen)?
Auf der DGB-Demo sind weitere linke Gruppen aktiv, die außerhalb unseres Blockes ihre eigene Agitation und Propaganda durchführen. Wir respektieren das und begreifen sie trotz der Unterschiede des Ausdrucks als GenossInnen und als Teil unserer Klasse, der selbstverständlich auch auf Gewerkschaftsdemos vertreten ist und sein soll. Im letzten Jahr bekam die MLPD Probleme mit ihrem Infostand auf der Abschlusskundgebung, welche solidarisch abgewehrt werden konnten.
Ich würde sagen: Wenn der DGB sich als Einheitsgewerkschaft bezeichnet, muss er auch respektieren, dass KollegInnen mit unterschiedlichsten Weltanschauungen in ihm organisiert sind und diese auch auf Demos zum Ausdruck bringen. Zugleich als sozialdemokratischer Block erscheinen zu wollen, ist angesichts der gesellschaftlichen Realität ein Widerspruch in sich und greift tendenziell in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Mitglieder ein.
Dass von der Basis der lohnabhängig Beschäftigten her sich überproportional kommunistische und linksradikale Tendenzen äußern als beispielsweise dezidiert christlich-konservative, liegt sozusagen in der Natur der Sache.
10. Warum bildet ihr einen eigenen Block bei der 18 Uhr Demo?
1987 griff die Polizei ein traditionelles Familienfest an, woraus sich ein spontaner Aufstand in Berlin Kreuzberg entwickelte.
Seit 1988 führt die radikale Linke in unterschiedlichen Formen dort Demonstrationen durch, die die revolutionäre Umwälzung der bestehenden Verhältnisse einfordern. Im Rahmen dieser Demos oder in ihrem Anschluss kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die vor allem von Jugendlichen ausgeführt werden, welche aus unterschiedlichen Gründen mit der bestehenden Gesellschaftssituation unzufrieden sind.
Viele dieser Gründe kann ich gut nachvollziehen, vom Mangel an existenzsichernden Ausbildungsplätzen bis hin zur Zerschlagung selbstbestimmter Treffpunkte und Wohnprojekte.
Unser Bezugspunkt als Klassenkämpferischer Block ist derjenige, dass es nicht reicht, ökonomische oder spontane Kämpfe zu führen. Das politische System, welches der kapitalistischen Ausbeutung eine staatliche Ordnung gibt, muss insgesamt überwunden werden. Diese Überwindung kann nicht allein auf legalem Weg erfolgen, da kein Staat, keine herrschende Klasse der Welt ihre eigene Abschaffung gesetzlich erlauben wird. Insofern teilen wir das Grundverständnis der revolutionären Demonstration.
In diesem Jahr steht sie unter dem Motto „Heraus zum revolutionären 1. Mai! Für die soziale Revolution weltweit“ und startet um 18 Uhr unweit des Kottbusser Tors.
Meiner Auffassung nach ist eine Demo für die Revolution oder sogar eine darauf folgende Revolte mit Bevölkerungsbeteiligung nicht mit der Revolution selbst zu verwechseln. Die Aktivitätsform Schwarzer Blöcke kann auch nicht die einzige Form sein, auf einer Demonstration den Willen zum Ausdruck zu bringen, an der Umwälzung der Verhältnisse zu arbeiten, die Menschen zu geknechteten und unterdrückten Wesen machen.
Der Revolution, in den entwickelten Metropolenstaaten zumal, ist vielmehr nur in einem widersprüchlichen, aber dennoch zielgerichteten organisierten Aufbauprozess näher zu kommen, wo viele ihren Platz haben. Sie ist mit Sicherheit kein Partyevent und wird verschiedene Ausdrucksformen finden.
Auch eine politische Demonstration für eine revolutionäre Umwälzung ist trotz von der Bourgeoisie formal zugestandener Versammlungsfreiheit kein Spaziergang.
Wir wollen dort einen verantwortungsbewusst agierenden Klassenkämpferischen Block, um KollgegInnen mit unterschiedlichen kulturellen und aktionsmäßigen Erfahrungen ein gemeinsames Handeln zu ermöglichen. Politische Kämpfe im Stadtteil oder gegen imperialistische Kriege und die ökonomischen Kämpfe gehören für uns zusammen.
Mich verwundert immer wieder, da ich von linksradikalen GenossInnen eher den Musikgeschmack weiß oder auf welcher Demo sie waren, die Probleme am eigenen Arbeitsplatz aber nicht in die politische Arbeit einbezogen werden. Arbeitsloseninis kommen z.T. noch als marginalisierter Teilbereich vor …
Wir wollen das ändern, weil ohne Klassenkampf, ohne die Frage, wer für wen produziert oder warum davon ausgeschlossen wird, keine grundlegende Umwälzung möglich sein wird. Die Frage der Reproduktion gesellschaftlicher und persönlicher Verhältnisse, und damit auch die Geschlechterfrage, ist meines Erachtens gleichwertig hinzuzufügen.
Dementsprechend: Heraus zum ersten Mai 2011 ! 9.00 DGB-Demo, Keithstr. (U Wittenbergplatz) & 18.00 revolutionäre Demo, Kottbusser Tor (vermutlich Kottbusser Brücke)