Aufruf an linke AktivistInnen zum 1. Mai

CharlieKlassenkampf statt Standortlogik – Für eine Welt ohne Krise, Krieg und Kapitalismus

Die Wurzel des 1. Mai liegt in den Kämpfen der Lohnabhängigen am Ende des 19. Jahrhunderts. Lohnabhängige wehrten sich weltweit gegen ihre miserablen Lebens- und Arbeitsbedingungen. Sie kämpften für ihre sozialen und politischen Rechte, für den Achtstundentag und für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung.

Auch heute noch gehen Millionen Lohnabhängige weltweit am 1. Mai auf die Straße, um für ihre Rechte zu kämpfen. In Berlin findet dazu am Morgen die traditionelle Gewerkschaftsdemonstration statt, die vom DGB organisiert wird. An dieser Demonstration beteiligen sich die gewerkschaftlich organisierten Lohnabhängigen aus den verschiedenen Betrieben und Dienstleistungs-Branchen. Politisch ist diese Demonstration stark von dem sozialdemokratischen Verständnis der DGB-Führung geprägt. So ist die offizielle politische Linie die Sozialpartnerschaft mit dem Kapital. Am Abend gibt es in Berlin die revolutionäre 1.-Mai-Demonstration, die von verschiedenen Gruppen der radikalen Linken organisiert wird. Sie ist ein wichtiger Bezugspunkt für Autonome, AnarchistInnen, AntifaschistInnen und KommunistInnen. Die politische Botschaft dieser Demonstration, ist die radikale Veränderung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaft durch eine soziale Revolution. Das Ziel ist eine klassenlose Gesellschaft. Neben den politisch Organisierten, beteiligen sich auch tausende Jugendliche, die ihre Wut über ihre Lebens und Arbeitsbedingungen auf die Straße tragen.

Heraus zum 1. Mai!

Wir rufen dazu auf, sich bei der Gewerkschaftdemonstration und bei der revolutionären 1.-Mai-Demonstration am klassenkämpferischen Block zu beteiligen. Mit dem Block wollen wir für eine klassenkämpferische Stoßrichtung eintreten und uns gegen die vorherrschende Sozialpartnerschaft und Standortlogik wenden. Denn trotz sozialpartnerschaftlicher Linie der Gewerkschaften findet ein heftiger Klassenkampf statt, der zurzeit vor allem aggressiv vom Kapital geführt wird. Solange der Kapitalismus nicht Geschichte ist, hört der Klassenkampf nicht auf. Solange die Lohnabhängigen gezwungen sind ihre Arbeitskraft zu verkaufen, solange ist der 1. Mai kein Feiertag sondern ein Kampftag der Arbeiterklasse.

Wir wollen mit unserem klassenkämpferischen Block dazu beitragen, die Trennung zwischen den Auseinandersetzungen in den Betrieben und auf dem Arbeitsamt, und den politischen Kämpfen der radikalen Linken zu überwinden. Denn fast alle sozialen und politischen Konfliktfelder, alle Missstände, alles Elend haben eine gemeinsame Wurzel: Den Kapitalismus, das ökonomische System, welche die Gesellschaft in Klassen spaltet. Jede politische Praxis, jede politische Strategie sollte sich die Frage stellen, ob sie im Interesse der Lohnabhängigen und Erwerbslosen handelt. Die Interessen der Klasse der Lohnabhängigen stehen im Widerspruch zur Profitlogik, ob es um die Arbeitsbedingungen, die Arbeitszeit oder die gesamte Art der Produktion geht. Für sie bedeutet der Kampf gegen die Kapitalinteressen in letzter Konsequenz einen unmittelbaren Kampf um ihre Lebenssituation. Wenn wir als radikale Linke uns nicht dem Klassenkampf zuwenden, dann laufen wir Gefahr, dass wir uns politisch isolieren.

Es ist der Kapitalismus selbst, der die Systemfrage auf die Tagesordnung setzt

Mitte der 1970er Jahre kam es zur ersten tiefen internationalen Wirtschaftskrise seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Soziale Errungenschaften wurden Stück für Stück abgebaut. Die Arbeitslosigkeit nahm stetig zu, Lohnsenkungen und Rationalisierungen sorgten für eine Verschlechterung der Lebenssituation eines Großteils der Bevölkerung.

Die jetzige weltweite Krise hat gezeigt, dass der Kapitalismus die Probleme der Gesellschaft nicht löst, sondern sie aufgrund seiner inneren Widersprüche verursacht. Krisen sind keine Ausnahmen, sondern innerhalb der kapitalistischen Profitlogik zwangsläufig. Denn die Produktion hat im Kapitalismus nur ein Ziel, möglichst viel Profit zu machen. Wenn zu viele Waren auf dem Markt sind und keine zahlungskräftige Nachfrage vorhanden ist, kommt die Produktion unweigerlich ins Stocken. Genau dies geschieht momentan weltweit. Die Krise ist aber nicht einfach nur ein zyklischer Einbruch. Der Kapitalismus ist durch eine strukturelle Überakkumulation gekennzeichnet, in der es dem Kapital immer schwerer fällt die Masse des Profites zu steigern.

Für die Lohnabhängigen und Erwerbslosen bedeutet die Krise: Massenentlassungen, erhöhte Ausbeutung, schlechte oder gar keine Bildung und Ausbildung, teures Studium, steigende Wohn-und Lebenskosten, repressive Sozialversorgung und vieles mehr. Der Druck wird immer härter. Der Traum eines „sozialen“ Kapitalismus ist heute bei vielen ausgeträumt. Die Sozialpartnerschaft, die sich in der Nachkriegszeit in der BRD entwickelt hat, und die anstelle des Klassenkampfes ein angeblich gemeinsames Interesse von Lohnabhängigen und KapitalistInnen setzt, hatte in dieser Zeit eine materielle Grundlage, da bis in die 1970er Jahre hinein Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzung durchgesetzt werden konnten. Eine derartige Entwicklung hat dafür gesorgt, dass klassenkämpferische Positionen innerhalb der Lohnabhängigen marginalisiert sind und erst mühsam wieder gestärkt werden müssen.

In der Krise ist die Gewerkschaftpolitik der sozialdemokratischen Führung ein Desaster. Sie verbreitet nur noch Ohnmacht und Hilflosigkeit. Sie führt die Belegschaften von Lohnverzicht zu Lohnverzicht, von einer Teilentlassung zur nächsten, von einer Tarifaufweichung zur Tarifauflösung. Zu viele Lohnabhängige verhalten sich noch passiv und setzen dem Kurs der Gewerkschaftsführung kaum Widerstand entgegen. Gewerkschaften sind wichtige Organisationsformen für die Lohnabhängigen, jedoch überflüssig bis kontraproduktiv, wenn sie statt für die Interessen aller Beschäftigten zu kämpfen auf Bündnisse mit dem Kapital setzen und den Verzicht propagieren. Für uns als radikale Linke sollte es wichtig sein, dass wir nicht dabei zusehen, wie der sozialdemokratisch geführte Gewerkschaftsapparat die Lohnabhängigen weiter in die Defensive führt, sondern uns selber überlegen, wie wir kämpfende Lohnabhängige unterstützen können und wie wir selbst an unserem Arbeitsplatz mit unseren KollegInnen gegen schlechte Arbeitsbedingungen aktiv werden können.

In den letzten Jahren haben wir, auch in Berlin, in den Betrieben merkbar veränderte Situationen erleben können. In den Auseinandersetzungen, Kämpfen und Streiks gegen Werksschließungen, Entlassungen und Lohnkürzungen., zum Beispiel bei der Charité, Orenstein und Koppel (CNH), bei Bosch Siemens Hausgeräte (BSH), bei der S-Bahn oder auch bei Daimler, gingen viele Lohnabhängige neue und eigenständige Wege. Diese Erfahrungen haben aber auch die Schwierigkeiten deutlich gemacht, die die einzelnen Kämpfe hatten. Denn es hat sich gezeigt, wie schnell Kämpfe an ihre Grenzen kommen können, wenn die Lohnabhängigen keine eigenständigen Strukturen und Strategien haben. Wir als radikale Linke sollten solche Kämpfe unterstützen und mit der Gewerkschaftlinken zusammenarbeiten, damit die Lohnabhängigen in kommenden Kämpfen gegen die Unternehmer und die Co-ManagerInnen im Gewerkschaftsapparat nicht alleine dastehen.

Der Kampf um Befreiung ist international!

Nicht nur in Deutschland, weltweit werden die Folgen der Krise auf dem Rücken der Lohnabhängigen und Erwerbslosen abgeladen. Der Widerstand in einigen anderen Ländern entwickelt sich zur politischen Gegenmacht. Seit einem Vierteljahr, wehren sich 12 000 Beschäftigte in der Türkei gegen Entlassungen beim staatlichen Tabak-Monopolisten TEKEL mit einem unbefristeten Streik. Ihnen drohen die Privatisierung ihrer Arbeitsplätze, Lohnkürzungen und Kündigungen. Anfang Februar traten zwei Millionen Beschäftige in einen eintägigen Solidaritätsstreik für die Tabakarbeiter. In Italien haben fünfzig Beschäftigte der Maschinenfabrik INNSE in Mailand, in einem über einjährigen Arbeitskampf, die Schließung ihres Betriebes verhindern können, sie schafften es durch die Besetzung ihres Betriebes politischen Druck aufzubauen, der den Unternehmer und den Staat zu einer Einlenkung zwang. Dies sind zwei Beispiele, wo Lohnabhängige selbst als politische Kraft für ihre Interessen eintreten. Es ist für uns radikale Linke wichtig, dass wir solche Kämpfe von unten unterstützen und die notwendige internationale Solidarität leisten.

Nur zusammen gehört uns die Zukunft!

Die Organisierung und der gemeinsame Kampf der Lohnabhängigen ist heutzutage nicht einfach, da die Klasse der Lohnabhängigen stark ausdifferenziert ist und ganz unterschiedliche Arbeitsverhältnisse vorhanden sind. Dennoch führt daran kein Weg vorbei. Ein Bezug allein auf die „Szene“ oder eine Subkultur kann keine gesellschaftliche Veränderung bewirken. Die Parole „Für die soziale Revolution“ bleibt eine Phrase, wenn sie nicht verbunden wird mit der praktischen Intervention in den Klassenauseinandersetzungen der Lohnabhängigen. Die Zeit für die Überwindung dieses Systems, in dem der angehäufte Reichtum nicht zum Wohl aller verwendet werden kann, sondern zu immer größerer Armut und Zerstörung führt, ist längst reif. Es gilt also unseren Kampf gegen dieses kapitalistische System zu organisieren. Der Kampf beginnt nicht am 1. Mai und endet nicht mit ihm. Für eine Perspektive jenseits des Kapitalismus ist, neben dem konkreten Handeln, eine politische Organisierung, die Kontinuität und Stärke entwickelt, unablässig.

Eine politische Perspektive kann auch nicht losgelöst von den Kämpfen gegen Krieg und Aufrüstungen, die Zerstörung der Natur, gegen die Gefahr durch die Faschisten, gegen den Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates, sowie für gleiche Rechte für alle Menschen unabhängig ihrer Herkunft oder ihres Geschlechtes begriffen werden. Wir brauchen eine Einheit aus Arbeitskämpfen, Streiks und den Kämpfen gegen Nazis, gegen die Unterdrückung der Frauen, gegen Krieg und Aufrüstung!

Den revolutionären Prozess vorantreiben! Klassenkämpfe entfalten! Kapitalismus zerschlagen!
Für den Kommunismus!

Der klassenkämpferische Block ist eine Initiative von: DKP Berlin, Gruppe Arbeiterpolitik, Internationale KommunistInnen und Revolutionäre Perspektive Berlin


9.30 Uhr | DGB Demonstration | Wittenbergplatz
18 Uhr | Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration | Kottbusser Tor

Aufruf zum 1. Mai 2010 an die radikale Linke als PDF